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Kurier, 31.07.2019

Presse-Echo



Theaterblut und Schüsse im Rotlichtmilieu


"Tatort Wiesbaden: Kriminalfälle aus 300 Jahren"
Stadtrundgang-Premiere mit Rainer Niebergall

Von Viola Bolduan


Wiesbadener Kurier/Tagblatt, 31.07.2019


Der Truppe des Niebergall-Rundgangs wurde kein Härchen gekrümmt. Ein paar Regentröpfchen bekam sie mit – die Schüsse, die Leichen, das viele Blut dabei blieben rein verbal und in der Vorstellung. Als Premiere bot Stadtführer Rainer Niebergall das Thema „Tatort Wiesbaden: Kriminalfälle aus 300 Jahren“ an und startete gleich mit dem blutigsten Fall: Shakespeare-Theaterblut vor der Kurhausfront. Das Klappmesser im Kurpark gehörte in Romy Schneiders Filmdebüt „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953) und schnitt harmlos – eben Flieder ab.

„Gemetzel biblischen Ausmaßes“ im „Tatort“

Das Gemetzel „biblischen Ausmaßes“, wie es Niebergall beschreibt, findet rund 60 Jahre später statt im ARD-„Tatort: Im Schmerz geboren“ mit LKA-Ermittler Felix Murot, also Ulrich Tukur, gegen Ulrich Matthes, und listet über 40 Tote auf der Kurhaustreppe. Niebergall hat recht: „Ein wunderbarer, wunderbarer Film“, gedreht in Wiesbaden, wie auch die ZDF-„Staatsanwalt“-Folgen mit Rainer Hunold, die seit 2005 die Stadt unsicher machen. Von überall her fallen Schüsse, und im Lebensraum der Nilgänse und Enten liegen Leichen. Soweit die Fiktion. Realität ist der Attentatsversuch auf Kaiser Wilhelm I. zur Eröffnung des Niederwalddenkmals 1883 in Rüdesheim. Aufgrund billiger Zündschnur, die dem Gewitter nicht standhielt, passierte nix. Die Gruppe spannt am Denkmal des Kaisers ihre Schirmchen auf. Die Gedenkplatte am Weiher wiederum erinnert an den von Jugendlichen im Park tot getretenen litauischen Musiker Kestutis Vaicackas.

Und real auch ist der „Prinzenraub“ aus der Villa Clementine, die Niebergall im kurzen, aber spektakulären politischen Zwischenspiel im Haus 1888 ausführlich beschreibt: Der serbische König Milan lässt den Kronprinzen Aleksandar aus den Armen seiner Mutter gewaltsam nach Hause entführen. Später wird der seinem Vater in Grausamkeit in nichts nachstehen.

Das heutige Literaturhaus Villa Clementine macht freilich auch auf versuchte Verbrechen an der gesamten Stadt aufmerksam: Nach Plänen Ernst Mays hatte es mitsamt den Villen- und anderen Vierteln abgerissen werden sollen. Sie steht noch, wie auch das Nachbarhaus an der Wilhelmstraße, Wohnung der Familie Rinnelt, deren kleiner Sohn Timo 1964 spurlos verschwand. Niebergall erzählt vom langen Hergang polizeilicher Ermittlungsarbeit, bis sich 1967 der Täter selbst verrät. Der Fall hatte die Stadt damals bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. In früheren Zeiten gab es zu diesem Zweck einen Pranger vor dem alten Rathaus.


1981 fallen vier Schüsse im Rotlichtmilieu der Kleinen Schwalbacher Straße. Ein Streit mit dem Kollegen Klaus Gerhardt, genannt „Zigeu-
ner-Klaus“, endet für Bordellkönig Mustafa Schikane tödlich. Der Hergang der Tat bleibt ungeklärt, Gerhardt wird freigesprochen und schließlich Schöffe beim Amtsgericht. Die Kleine Schwalbacher hat sich mittlerweile ja auch herausgeputzt, während Rainer Niebergall um die Ecke dem „Walhalla“ noch „alles, alles Gute“ zu wünschen hat. Zumal hier 1949 der in Wiesbaden spielende Film „Mordprozeß Dr. Jordan“ uraufgeführt wurde.

Heinrich Anton Leichtweiß indes wurde nie der Prozess im alten Kriminalgericht an der Mauritiusstraße gemacht – auch wenn nun nicht unbedingt ein „edler Räuberhauptmann“, das Zuchthaus brach ihm das Genick. Wenige Schritte weiter, am Schlusspunkt des Rundgangs, steht die Gruppe dann vor dem Schlimmsten: dem Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung der Stadt, dem Mahnmal für die dort genannten Deportierten. Da hat die Erschütterung ihren Höhepunkt erreicht.

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